Projekt-Cluster / 01.11.2011
Sonne und Gas kombinieren
Forschungsansatz
Solarthermische Kraftwerke sind gegenüber konventionellen Kraftwerken noch nicht wettbewerbsfähig. Hauptziel beim Weiterentwickeln dieser Technologie ist es daher, die solaren Stromgestehungskosten zu reduzieren. Solarturm-Kraftwerke versprechen Studien zufolge eine signifikante Kostenreduktion - natürlich abhängig vom geographischen Breitengrad bzw. der Sonnenintensität. Der Vorteil von solar-hybriden Gasturbinenanlagen in Kraftwerken ist, dass sie entkoppelt von der fluktuierenden Sonnenstrahlung Strom erzeugen können und somit bedarfsgerecht sowie grundlastfähig produzieren. Dies geschieht durch die Integration von thermischen Speichern und dem zusätzlichen Befeuern der Turbine mit Erdgas, um eine gleichbleibende Turbineneintrittstemperatur zu erhalten (fossile Hybridisierung).
Kombiniert man also Gas- und solare Dampfprozesse, wären im gesamten Stromsystem die beim Betrieb von Anlagen mit fluktuierender Stromerzeugung notwendigen Reservekapazitäten nicht erforderlich. Deswegen erwarten die Forscher ein enormes Marktpotenzial – besonders in sonnenreichen Gebieten rund um das Mittelmeer. Große Solarfelder, effiziente Hochtemperaturwärmespeicher und eine fein geregelte Turbineneintrittstemperatur können den fossilen Kraftstoffbedarf und die CO2-Emissionen entscheidend reduzieren.
Forschungsziele
- Entwickeln einer solar-hybriden Gasturbinenanlage (GTA) für eine künftige Demonstrationsanlage
- Anpassen einer Gasturbine der 10-MW-Klasse auf eine maximale Prozesstemperatur von 950 °C mit Rekuperator sowie zusätzlicher Verdichterzwischenkühlung
- Einstellen des Auslegungspunktes auf rein solarthermischen Betrieb der GTA
- Optimieren der Solarwärmeeinkopplung und des Brennkammerdesigns
- Entwickeln alternativer, den Wasserverbrauch reduzierender Prozesse auf Basis organischer Medien (ORC-Prozesse)
Perspektiven
Das Einkoppeln solarer Strahlungsenergie in einen konventionellen Kraftwerksprozess stellt für die Energiewirtschaft eine höchst interessante Technologieentwicklung dar, um erneuerbare Energien zu nutzen. Sie kann einen wichtigen Input zur strategischen Ausrichtung der Unternehmen leisten.
Die Forschung und Entwicklung solarthermischer Turmkraftwerke mit solar-hybrid befeuerten Gasturbinen wurde während der letzten Jahre kontinuierlich vorangetrieben und konnte in einem Systemtest erfolgreich auf der Plataforma Solar de Almeria (PSA, Spanien) demonstriert werden. Aktuelle Entwicklungsarbeiten befassen sich mit Anlagen für den Einsatz in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anwendungen. Dabei sollen die heißen Abgase der Gasturbine z.B. zum Erzeugen von Kälte oder zum Entsalzen von Meerwasser genutzt und damit höchste solare Wirkungsgrade erzielt werden.
Ein solarthermisches Kraftwerk ist vom Prinzip her ähnlich aufgebaut wie ein konventionelles Kraftwerk. Während herkömmlicherweise ein fossiler Brennstoff das Prozessmedium erhitzt, erfolgt dies beim solarthermischen Kraftwerk durch konzentrierte Solarstrahlung – die Sonne ersetzt den Brennstoff. Solarthermische Kraftwerke nutzen ausschließlich den direkten Strahlungsanteil der Sonne bei klarem Himmel, ihr Einsatz ist daher vor allem in Gebieten mit sehr hoher Sonneneinstrahlung eine Option. Soll Solarstrahlung in Kraftwerksprozesse eingekoppelt werden, so sind sehr große Auffangflächen notwendig. Die Kollektorflächen machen daher den Hauptteil der Investitionskosten aus. Ein Weg zu geringeren Stromgestehungskosten führt über Kraftwerksprozesse, in denen die eingesammelte Solarstrahlung mit höherem Wirkungsgrad genutzt werden kann. So ließe sich mit derselben Kollektorfläche mehr Energie produzieren. Derzeit werden vorrangig solare Parabolrinnenkraftwerke gebaut, die aktuell bei Dampftemperaturen von etwa 400 Grad Celsius (°C) betrieben werden. Mehr als 600 °C werden in Solarturmkraftwerken erreicht. Dort ist die optische Konzentration der Solarstrahlung höher. Durch die höheren Temperaturen können Kraftwerksprozesse mit deutlich besseren Wirkungsgraden betrieben werden. Solare Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke (GuD) gelten als die derzeit effizienteste solare Kraftwerkstechnologie.
Voraussetzung für den hohen Wirkungsgrad beim Umwandeln von Solarstrahlung in Strom ist deren direkte Einkopplung in die Gasturbine. In solarhybriden GuD-Kraftwerken erhitzt man die Luft, die als Arbeitsmedium der Gasturbine dient, teils mit Solarstrahlung, teils mit Erdgas. Ein derartiges Kraftwerk besteht aus Heliostaten, Turm, Strahlungsempfänger (Receiver) und Kraftwerksteil. Die Solarstrahlung wird, nachdem sie durch die vielen Heliostate etwa 1000-fach konzentriert wurde, im Receiver absorbiert. Dabei erhitzt sie die Luft, die den Receiver durchströmt. Je höher die Lufttemperatur ist, die so erreicht wird, umso weniger Brennstoff wird noch benötigt, um die Luft weiter auf die erforderliche Turbineneintrittstemperatur aufzuheizen. Ein wesentlicher Vorteil dieser Systeme besteht darin, dass durch das Zufeuern von (fossilen) Brennstoffen die geforderte Kraftwerksleistung zu jedem Zeitpunkt sicher bereitgestellt werden kann, auch nachts oder bei bewölktem Himmel. Außerdem kann der Betrieb auch ohne den zusätzlichen Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) erfolgen, indem biogene Brennstoffe anstelle von Erdgas zum Zufeuern eingesetzt werden. Das verbessert die Öko-Bilanz abermals. Seine erste Bewährungsprobe hat ein derartiges System im kleinen Maßstab bereits bestanden. Auf der Solarturm-Testanlage PSA in Almeria, Spanien, wurde ein Receivercluster, bestehend aus drei Receivermodulen, eingebaut und getestet. Die solar erhitzte Luft wurde einer Gasturbine mit einer Leistung von 230 Kilowatt Energie (kWel) zugeführt. In diesen Tests wurden bis zu 60 Prozent des Brennstoffs durch solare Energie ersetzt. Dabei konnten im Receiver Lufttemperaturen bis 1.030 °C erreicht werden. Das Zusammenspiel zwischen Gasturbine und Receiver erwies sich als problemlos. Dabei konnte durch das Umstellen auf Biodiesel als Brennstoff erfolgreich ein CO2-neutraler Betrieb demonstriert werden, weil nicht mehr CO2 frei wird, als bei der pflanzlichen Produktion des Biodiesels gebunden wurde.
Bereits im Jahr 2009 hat mit dem Bau eines vor-kommerziellen solarhybriden Gasturbinen-Kraftwerks bei Sevilla ein weiteres Projekt mit 5 MW begonnen. Die Anlage steht neben der PS10-Anlage komplett mit Heliostatenfeld und Turm. Während der zweijährigen Betriebszeit seit 2010 müssen die innovativen Komponenten für solche Systeme ihre Marktreife unter Beweis stellen.
Hintergrund
Seit einigen Jahren enwickeln sich solarthermische Kraftwerke überaus dynamisch. Sie sollen künftig einen wesentlichen Beitrag für eine nachhaltige Energieversorgung im globalen Maßstab leisten. Sie werden auch CSP-Kraftwerke genannt (Concentrated Solar Power). Im Rahmen des Projektes SHCC® (Solar Hybrid Combined Cycle) förderte das Bundesumweltministerium in den Jahren 2009 und 2010 die Untersuchung verschiedener Konzepte für ein Hybrid-CSP-Kraftwerk auf Basis von Gasturbinen in der Leistungsklasse bis 20 MW. Diese Konzepte untersuchten MAN Diesel&Turbo (Projektleitung) gemeinsam mit dem Institut für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) und VGB PowerTech.
Wesentliche Ziele dieser Vorstudie waren:
- Effizientes Nutzen solarer Hochtemperaturwärme
- Deutliche Senken des spezifischen fossilen Brennstoffwärmeverbrauches bei maximaler Flexibilität und Verfügbarkeit
- Vermeiden des Baus von "Schattenkraftwerken" (Reservekapazitäten im Stromnetz)
Hierzu stellten die Forscher Kriterien für das Bewerten der zu untersuchenden Prozessvarianten auf und definierten "Benchmark"-Prozesse. Aus verschiedenen Prozessvarianten bestimmten sie eine Vorzugsvariante und untersuchten eine SHCC®-Anlage in der vorgesehenen Leistungsgröße hinsichtlich der technischen und wirtschaftlichen Realisierbarkeit. Dabei legten sie besonderen Wert auf ein vertretbares Risiko sowie das Ableiten von Anforderungen für das Entwickeln der Technologie einer Pilot- bzw. Demonstrationsanlage, was jetzt Gegenstand des laufenden Anschlussvorhabens HYGATE ist.
Aktuelles Verbundvorhaben
Solar-hybride Gasturbinentechnologie in größerem Maßstab
(HYGATE - Hybrid High Solar Share Gas Turbine Systems)
Forschende Organisationen:
TU Dresden, Institut für Energietechnik
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Institut für Technische Thermodynamik