Projekt-Cluster / 07.12.2011

CO2 abscheiden im Oxyfuel-Kohlekraftwerk

Forschungsansatz

Oxyfuel-Pilotanlage in Schwarze Pumpe in der Lausitz ©Vattenfall

Um den ursprünglich großen energetischen Nachteil der Post-Combustion-Capture-Verfahren beim Abscheiden von CO2 zu vermeiden, wurde das Oxyfuel-Verfahren entwickelt. Auch dieses basiert auf dem seit vielen Jahrzehnten bekannten Dampfkraftprozess, der in allen kohlegefeuerten Anlagen zur Stromerzeugung realisiert ist. Nur erfolgt die Verbrennung hier mit hochkonzentriertem Sauerstoff ohne Sticktstoff. Die hierfür nötige kryogene Luftzerlegung (durch extreme Kälte) hat einen sehr hohen Energieverbrauch und erfordert daher zum einen eine signifikante Weiterentwicklung dieses Verfahrens und zum anderen die Entwicklung alternativer Methoden der Sauerstoffherstellung z.B. mit Hilfe der Membrantechnologie oder des Chemical-Looping-Verfahrens.

Ein weiteres Ziel der Forschung ist die Optimierung des Verbrennungsprozesses mit Sauerstoff und rezirkuliertem Rauchgas. Darüber hinaus besteht Forschungsbedarf in Bezug auf die Beeinflussung der Verunreinigungen im CO2-reichen Rauchgas, welche auf die Verträglichkeit der Speicher- und Barrieregesteine im Untergrund abgestimmt sein muss. Auch beim Oxyfuel-Verfahren spielt die Prozessintegration der Einzelkomponenten eine wichtige Rolle, um die Technologie großtechnisch anwendbar machen zu können.

Forschungsziele

Oxyfuel

Feuerungstechnik

  • Ermittlung optimaler Werte von Sauerstoffüberschuss und Sauerstoffanteil bei der Feuerung
  • Abbrandverhalten von Kohlen in Atmosphären aus CO2, H2O und O2 bei praxisrelevanten Sauerstoffüberschüssen und Sauerstoffanteilen
  • Bildungsmechanismen der Schadgase NOX, SOX und CO
  • Sauerstoffstufung zur Verbesserung des Ausbrandes und zur Verminderung der Schadgasbildung

 

Dampferzeuger

  • Auswirkung der geänderten Rauchgaszusammensetzung auf den Wärmeübergang, insbesondere jenen durch Strahlungswärmeaustausch
  • Betriebssichere Vermischung von Sauerstoff mit dem zurückgeführten Rauchgas
  • Möglichkeiten zur Nutzung der Niedertemperatur-Rauchgaswärme am Dampferzeugeraustritt
  • Optimale Temperatur der Rauchgasrückführung
  • Alternative Dampferzeugerbauarten (Wirbelschicht, Schmelzkammer)

 

CO2-Abtrennung

  • Bestimmung der Phasengleichgewichte der Rauchgasgemische als Auslegungsbasis für die Verflüssigungsanlagen
  • Einfluss der Kinetik auf die Konzentrationen im flüssigen CO2
  • Verbleib der Schadgase (SOX, NOX, CO) bei der Entfeuchtung
  • Pumpen für den Transport des verflüssigten CO2
  • Minimierung des Eigenbedarfs
  • Langzeitstabilität der Materialien zur Rauchgasentfeuchtung

 

Gesamtprozess

  • Wirkungsgradsteigerung durch Integration der Schlüsselkomponenten CO2-Abscheidung und Luftzerlegung in den Gesamtprozess
  • Verhalten bei und Eignung für den Teillastbetrieb
  • Realisierbarkeit der Luftzerlegungsanlagen für die geforderten Leistungsklassen (> 400 MWel Bruttokraftwerksleistung)
  • Anordnung der möglicherweise erforderlichen Entstickungs- und Entschwefelungsanlagen

 

Pilotanlage

  • Optimale Verteilung von Sauerstoff und zurückgeführtem Rauchgas
  • Verschmutzungs- und Korrosionsverhalten unter Oxyfuel-Bedingungen
  • Abscheideverhalten der Rauchgasreinigungsanlagen
  • Wärmeübergang im Feuerraum und im Bereich der Berührungsheizflächen
  • Anfahrverhalten
  • Dynamisches Zusammenspiel der Einzelkomponenten
  • Reduzierung der Invest- und Betriebskosten zukünftiger Großanlagen

 

Oxycoal (siehe auch Gastrennung mit Membranen)

  • Entwicklung geeigneter Membranwerkstoffe mit ausreichender Langzeitstabilität
  • Entwicklung möglichst leckagefreier Membranmodule
  • Technologische und energetische Einschränkungen hinsichtlich der Anordnung des Membranmoduls im Rauchgaspfad
  • Entwicklung der Heißgasreinigung für die geforderte Leistungsklasse
  • Gestaltung des Gesamtprozesses

 

Chemical-Looping (siehe auch Looping-Verfahren)

  • Gestaltung des Gesamtprozesses
  • Geeignete Trägermaterialien mit ausreichender Langzeitstabilität
  • Reaktorsystem
  • Regelung und Dynamik des Reaktorsystems
  • Abscheideverfahren für Asche und Trägermaterialpartikel

Perspektiven

Das Oxyfuel-Verfahren in Kraftwerken wurde bisher in einzelnen Versuchsanlagen im Labormaßstab verwirklicht. Das Unternehmen Vattenfall hat im September 2008 die weltweit größte Oxyfuel-Anlage mit einer Feuerungswärmeleistung von 30 MW in Betrieb genommen. Die Versuchsanlage umfasst einen Dampferzeuger, eine Luftzerlegungsanlage, eine Rauchgasreinigung sowie Vorrichtungen für die CO2-Abscheidung. Abhängig vom Erfolg der laufenden F&E-Arbeiten war eine Demonstrationsanlage (250 MW) geplant, die 2015 in Betrieb gehen sollte. Die Pläne sind gegenwärtig gestoppt wegen rechtlicher und finanzieller Restriktionen. Die von der Vattenfall AG betriebene Versuchsanlage ist derzeit eines der weltweit größten Oxyfuel-Projekte. Eingebunden sind eine Vielzahl von wissenschaftlichen Instituten (TU Hamburg-Harburg, TU Dresden etc.). Die F&E-Arbeiten sind im Rahmen der COORETEC-Forschungsinitiative über das Verbundprojekt ADECOS (Advanced Development of the coal fired Oxyfuel Process with CO2 Separation) eingebettet.

 

Oxyfuel-Verfahren bilden im Rahmen des EU-Projekts ENCAP (Enhanced Capture of CO2) einen wichtigen Forschungsschwerpunkt. Über ENCAP sind eine Vielzahl von Industrieunternehmen (z. B. ALSTOM, Siemens, Air Liquide, Vattenfall) eingebunden. Darüber hinaus ist eine Vielzahl von Oxyfuel-Aktivitäten in das IEA-Netzwerk Oxyfuel Combustion Network integriert.

Weitere wichtige Forschungsarbeiten zu Oxyfuel werden außerhalb der EU derzeit in Kanada (CANMET-Projekt, 300-kW-Reaktor) und Japan (1,2-MW-Anlage) durchgeführt. Darüber hinaus wurde 2006 in Australien das Callide-Oxyfuel-Projekt (50 Mio. $ Fördervolumen) gestartet. Ziel ist das Retrofitting eines bestehenden Kohlekraftwerks mit Oxyfuel-Technik. Das mit öffentlichen Mitteln geförderte Projekt wird von Industrieunternehmen und Forschungsinstituten gemeinsam durchgeführt.

Hintergrund

Unter der Bezeichnung Oxyfuel-Verfahren wird die Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Brennstoffen mit reinem Sauerstoff verstanden. Gegenüber herkömmlichen Kraftwerken, bei denen der CO2-Gehalt im Rauchgas zwischen 12 und 15 Vol.-% beträgt, liegt er bei Oxyfuel-Anlagen bei etwa 89 Vol.-%. Das Rauchgas nach der Rauchgasreinigung und -wäsche besteht im Wesentlichen aus einem Kohlendioxid/Wasserdampf-Gemisch. Durch Auskondensieren des Wasserdampfes erhält man ein CO2-reiches Rauchgas, das nach der Kompression über eine Pipeline zum Speicherstandort transportiert werden kann. Die Bereitstellung von Sauerstoff für den Verbrennungsprozess erfolgt derzeit mit kryogenen Luftzerlegungsanlagen, in denen der Sauerstoff der Luft durch Kondensation bei tiefen Temperaturen (< –182°C) abgeschieden wird. Dieses Verfahren wird heute großtechnisch in der Stahlindustrie und in neuerer Zeit in Gas-to-Liquid-Anlagen (Kraft-/Brennstoffherstellung aus Erdgas) weltweit genutzt.

Die Sauerstoffmengen bei den größten heute geplanten Anlagen (z. B. zur Synthesegaserzeugung) liegen bei ungefähr 800.000 Nm³/h. Zum Vergleich: Ein steinkohlebefeuerter Kraftwerksblock mit einer elektrischen Leistung von 500 MW und einem Nutzungsgrad von 43 % benötigt bei stöchiometrischer Verbrennung eine Sauerstoffmenge von ca. 270.000 m³/h. Eine Verbrennung mit Sauerstoffüberschuss (heutige Luftzahlen von Großanlagen liegen bei etwa 1,15) erhöht die benötigte O2-Menge entsprechend. Selbst mit diesen Luftzahlen stellt die Größe der erforderlichen kryogenen Anlage kein Problem dar.

 

Wird Brennstoff mit reinem Sauerstoff verbrannt, liegt die Verbrennungstemperatur deutlich höher als bei einer konventionellen Verbrennung und erfordert aufgrund anderer wärme- und strömungsspezifischer Randbedingungen eine Modifikation des Dampferzeugers sowie Maßnahmen zur Begrenzung der Verbrennungstemperatur. Daher wird ein Teil des CO2-reichen Verbrennungsgases (etwa zwei Drittel des Rauchgasvolumenstroms) in den Feuerungsraum zurückgeführt, um die Verbrennungstemperatur aufgrund der begrenzten Warmfestigkeit von Konstruktionswerkstoffen zu senken. Weiterhin wird nicht umgesetzter Sauerstoff erneut dem Oxidationsprozess zugeführt und der Restsauerstoffgehalt im Rauchgas gesenkt.

Die Verbrennung mit reinem Sauerstoff führt zu deutlich reduzierten Rauchgasmengen und einem veränderten Strahlungswärmeübergang der Rauch-/Brenngase (aufgrund veränderter CO2- und H2O- Konzentrationen) und macht eine Neuauslegung von Wärmetauscherflächen und Brennraumgeometrien sowie die Implementierung eines optimierten Rauchgaskanalsystems erforderlich. Auch aufgrund des veränderten Luftüberschusses gibt es erhebliche Probleme bzw. Fragestellungen hinsichtlich der Kohlefeuerung. Da der Sauerstoffüberschuss geringer als bei herkömmlichen Feuerungen ist, kann es zu Ausbrandproblemen und Korrosion an den Brennkammerwänden kommen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die optimale thermodynamische Einbindung der Kohlendioxidaufbereitung in den eigentlichen Kraftwerksprozess, mit der die Effizienz weiter gesteigert werden könnte.

3 aktuelle Forschungsvorhaben

ADECOS-ZWSF Weiterentwicklung und Untersuchung des Oxyfuel-Prozesses mit zirkulierender Wirbelschicht Feuerung auf Realisierbarkeit und Wirtschaftlichkeit
Forschende Organisationen: Technische Universität Hamburg-Harburg - Maschinenbau - Institut für Energietechnik
Technische Universität Dresden - Fakultät Maschinenwesen - Institut für Energietechnik - Professur Verbrennung, Wärme- und Stoffübertragung
Universität Stuttgart - Fakultät 4 Energie-, Verfahrens- und Biotechnik - Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik (IFK)
Förderkennzeichen: 0327872A, 0327872B, 0327872C, 03ET2026A, 03ET2026B, 03ET2026C, 03ET2026D, 03ET2026E, 03ET2026F, 03ET2026G

 

CLOCK-Chemical Looping Combustion von Kohle zur CO2-Abscheidung in atmosphärischen Wirbelschichtreaktoren für einen Dampfkraftprozess
Forschende Organisationen: Universität Stuttgart - Fakultät 4 Energie-, Verfahrens- und Biotechnik - Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik (IFK)
Technische Universität Hamburg-Harburg - Institut für Feststoffverfahrenstechnik und Partikeltechnologie
Technische Universität Hamburg-Harburg - Institut für Energietechnik (IET)
Förderkennzeichen: 0327844A, 0327844B, 0327844C

 

OXYCOAL "Entwicklung eines CO2-emissionsfreien Kohleverbrennungsprozesses zur Stromerzeugung, Projektphase 2: Pilotanlage
Teilprojekt: "Erprobung eines Membranmoduls zur Bereitstellung von Sauerstoff"
Forschende Organisationen: Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen Fakultät 4 – Maschinenwesen
Lehrstuhl für Wärme- und Stoffübertragung
Lehrstuhl und Institut für Regelungstechnik
Institut für Werkstoffanwendungen im Maschinenbau
Aachener Verfahrenstechnik
Lehrstuhl und Institut für Strahlantriebe und Turboarbeitsmaschinen
Institut für Technische Verbrennung
Förderkennzeichen: 0326890O, 0326890U, 0326890V

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