Projekt-Cluster / 16.05.2011
CO2 abscheiden mit Kalk oder Metall (Looping)
Forschungsansatz
Bau eines CO2-Versuchsfelds an der TU-Darmstadt ©EST
Eine der großen Herausforderungen dieser Zeit ist die Begrenzung der Freisetzung von CO2 aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, um einer globalen Klimaerwärmung vorzubeugen. Mehrere Verfahren zur CO2-Abspaltung werden gegenwärtig untersucht, wie z. B. MEA-Wäsche und Oxyfuel Verbrennung, bei denen sich aber der Nachteil enormer Wirkungsgradeinbußen von ca. 10-14 % ergibt, was die Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz dieser Verfahren in Frage stellt.
Das Carbonate Looping Prinzip ist eine interessante Alternative zu anderen Systemen, da der damit verbundene energetische Aufwand vergleichsweise gering ist und es sich aus diesem Grund sehr gut als Nachrüstungstechnologie für existierende Anlagen anbietet. Dieser Kreislauf wurde bereits für einen Einsatz bei der integrierten Reformierung untersucht. Er hat den Vorteil gegenüber anderen Verfahren, dass das Absorbens CaCO3 (Kalkstein) kostengünstig in großen Mengen in der Natur vorhanden ist.
Eine weitere Möglichkeit ist das sog. Chemical Looping, eine innovative Technologie für die Umwandlung von fossilen Brennstoffen zur Energiegewinnung: an Stelle einer konventionellen Verbrennungskammer stehen zwei Reaktoren. In dem einen, dem Luft-Reaktor, wird ein Metalloxyd MyOx-1 (Sauerstoffträger) durch Sauerstoff zu MyOx oxydiert, wobei in dem anderen Reaktor, dem Brennstoff-Reaktor, der oxydierte Sauerstoffträger mittels des Brennstoffes wieder reduziert wird und somit erfolgt eine zweistufige Verbrennung zusammen mit der Entstehung einer nur CO2- und H2O-enthaltenden Rauchgasströmung. Bei Chemical-Looping-Prozess handelt es sich deshalb um eine flammlose Verbrennung, bei der keine Schadstoffe wie NOx entstehen können. Das nach der Wasser Kondensierung reine CO2 kann direkt zur Verdichtung geschickt werden. Das Verfahren gründet sich auf die Wirbelschichttechnologie, wie sie schon für Dampfkessel angewandt ist. Nur bleibt noch F&E Arbeit im Bezug auf das Chemical-Looping Anwendung für Festbrennstoffe, d. h. Kohle.
Forschungsziele
Carbonate Looping (trockene Sorption):
- Entwicklung von technischen Konzepten zur Einbindung in den Kraftwerksprozess Möglichkeiten trockener Sorption ohne Sauerstoffeinsatz
- Nachweis technischer Machbarkeit mit Hilfe von Pilotanlagen
Chemical Looping:
- Entwicklung und Tests von unterschiedlichen Metalloxiden mit den erforderlichen mechanischen und thermischen Eigenschaften
- Einbindungskonzepte für erdgas- und kohlebefeuerte Kraftwerksprozesse (Erdgas, Kohleverbrennung und -vergasung) mit dem Ziel, die Anforderungen an die sonstigen Kraftwerkskomponenten zu spezifizieren
- Entwicklung eines geeigneten Reaktorsystems
Perspektiven
Prinzip des Carbonate Looping ©EST
Sowohl Sorptionsverfahren (Carbonate Looping) als auch Verfahren zur Sauerstoffproduktion (Chemical Looping) gehören zu den redoxbasierten Verfahren. Bei beiden Verfahren werden Trägermaterialien im Kreislauf geführt. Beim Carbonate Looping wird CO2 absorbiert und anschließend kalziniert, wobei das Trägermaterial (z. B. Kalzium) im Kreislauf geführt wird. Beim Chemical Looping wird ein Metalloxid als Sauerstoffträger im Kreislauf (abwechselnde Reduktion und Oxidation) geführt. Während es sich beim Carbonate Looping um einen Post-Combustion-Prozess handelt, dient das Chemical-Looping-Verfahren der Sauerstoffbereitstellung für einen Oxyfuel-Prozess.
Beide Verfahren sind derzeit Gegenstand intensiver F&E-Arbeiten und befinden sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, und mit ihrem großtechnischen Einsatz ist erst langfristig zu rechnen. Sie werden daher auch als CCS-Verfahren der zweiten Generation bezeichnet.
Carbonate Looping
Das Carbonate Looping (oftmals auch als trockene Sorption bezeichnet) zählt zu den Post-Combustion-Verfahren, die CO2 aus dem Kraftwerksrauchgas abtrennen können. Hierzu wird die Hochtemperaturreaktion (600–700 °C) der reversiblen, exothermen Absorption (Karbonisation) von Kalziumoxid (CaO) in Verbindung mit der endothermen Kalzinierung des Kalziumkarbonats (CaCO3, ca. 900 °C) genutzt. Kernelement des Carbonate-Looping-Prozesses ist ein dualer Wirbelschichtreaktor, in dem das CO2-absorbierende Material Kalziumoxid zwischen dem Karbonator (CO2-Absorption) und dem Regenerator (CO2-Desorption) im Kreislauf geführt wird. Die Regeneration des Kalziumoxids erfolgt entweder thermisch unter reduziertem Druck oder unter Verwendung eines Reduktionsmittels, wie z. B. Wasserstoff.
Im Gegensatz zum klassischen Waschverfahren kann die Absorptionswärme im Kraftwerksprozess genutzt werden. Ein weiterer Vorteil des Carbonate-Looping-Verfahrens ist die im Prinzip erreichbare hohe Reinheit des abgeschiedenen Kohlendioxids. Die energetischen und finanziellen Aufwendungen des Verfahrens sind hauptsächlich mit dem Reaktivierungsschritt verbunden. Diese sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur schwer abzuschätzen, da sich alle Komponenten und Materialien im F&E-Stadium befinden.
Das Carbonate Looping mit der Verwendung von CaO/CaCO3 als absorbierendes Material zeichnet sich durch die kostengünstige und hohe Verfügbarkeit der Ausgangsstoffe (z. B. Dolomit, natürlicher Gips) aus. In den derzeit laufenden Laborversuchen wurde eine relativ schnelle und dauerhafte Deaktivierung der absorbierenden Metalloxide beobachtet. Die benötigten Ersatzmengen für das deaktivierte Absorbermaterial werden als beträchtlich eingeschätzt. Die Entsorgung von deaktiviertem CaCO3 ist aus Umweltgesichtspunkten unkritisch, da das Kalziumkarbonat als Baumaterial weiter verwendet werden kann. Durch die kontinuierliche Absorption sowie Kalzinierung kommt es zu einer Deaktivierung des CaCO3. Daher ist kontinuierlich „frisches“ CaCO3 zuzuführen. Dies ist jedoch unkritisch, da CaCO3 ausreichend verfügbar ist. Der Wirkungsgradvorteil gegenüber anderen konventionellen Waschverfahren ist signifikant. Ausgehend von einem kohlegefeuerten Basisprozess mit einem Wirkungsgrad von etwa 46 % schätzen Forscher den Wirkungsgradverlust auf etwa 7,2 Prozentpunkte (inkl. CO2-Kompression und -Aufbereitung). Andere schätzen den Wirkungsgradverlust (ohne CO2-Kompression und -Aufbereitung) auf etwa 3 Prozentpunkte bei einer Abscheiderate von 70 bis 95 %. Das Verfahren ist prinzipiell auch als Nachrüstungsoption für bestehende Kraftwerke denkbar.
Chemical Looping für Oxyfuel-Prozesse
Beim Oxyfuel-Verfahren wird der Sauerstoff für die Verbrennung durch eine kryogene Luftzerlegung bereitgestellt (d.h. mit Kältetechnik). Das Rauchgas besteht bei dieser Verfahrensweise im Wesentlichen aus Wasser und CO2. Das Chemical Looping bietet eine weitere Möglichkeit der Sauerstoffbereitstellung durch Nutzung von Metalloxiden als O2-Träger. Der Brennstoff wird dabei in einem Reaktor nicht durch Luft, sondern durch einen geeigneten Sauerstoffträger (meist Metalloxide) oxidiert. Die Regeneration des Metalloxids erfolgt in einem weiteren Reaktor mit Hilfe von Luft als Reduktionsmittel. Der in der Luft enthaltende Stickstoff wird mit Hilfe des Metalloxids nicht dem eigentlichen Verbrennungsprozess zugeführt. Dementsprechend kann durch Auskondensation des Wassers ein CO2-reiches Rauchgas erzeugt werden.
Hintergrund
Die TU Darmstadt hat am Standort Lichtwiese eine Versuchsanlage zur Abscheidung des Klimagases Kohlendioxid beim Betrieb von Kohle-, Gas- und Biomassekraftwerken errichtet. Die Inbetriebnahme der 1-MW-Anlage und die Aufnahme der Versuche ist im Laufe des Jahres 2010 erfolgt. Federführend bei dem Projekt ist das Fachgebiet für Energiesysteme und Energietechnik unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Bernd Epple am Fachbereich Maschinenbau der TU.
In der Anlage werden in den nächsten Jahren die zwei neuartigen Verfahren zur Abscheidung von Kohlendioxid aus Rauchgas untersucht: "Carbonate Looping" und "Chemical Looping". Gegenüber anderen diskutierten Verfahren bestechen Carbonate Looping und Chemical Looping durch einen hohen Wirkungsgrad und damit eine hohe Wirtschaftlichkeit. Zusätzlich haben die hierbei anfallenden Nebenprodukte keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt.
Die Versuchsanlage steht am Standort Lichtwiese der TU Darmstadt im Bereich der Maschinenbau-Versuchshallen. Die Halle hat eine Grundfläche von 500 m², aufgeteilt in einen Haupt- und Nebentrakt. Der Haupttrakt enthält die Versuchsanlage und hat eine Höhe von 18 Metern. Im fünf Meter hohen Nebentrakt sind Nebenaggregate und die Leitwarte zur Steuerung der Anlage untergebracht.
Weiterer Pilot in Stuttgart
An der Universität Stuttgart testet das Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik (IFK) in einer Pilotanlage das neuartige Kalzium-Looping-Verfahren, um CO2 aus den Kraftwerksabgasen zu entfernen. Dort können die Wissenschaftler unter realitätsnahen Bedingungen mittlerweile über 90 Prozent des CO2 aus dem Abgasstrom entfernen. „Die Ergebnisse lassen erwarten, dass der Wirkungsgrad eines CCS-Kraftwerks mit dem Kalzium-Looping- Verfahren sich nur um sechs bis sieben Prozentpunkte verringern wird“, so Institutsleiter Prof. Scheffknecht. Andererseits könne die Stromerzeugung der Gesamtanlage sogar um rund 45 Prozent ansteigen, weil die Wärmeenergie, die zur CO2-Abtrennung zugeführt werden muss, zur Stromerzeugung genutzt werden kann. Herkömmliche nachgeschaltete CO2-Abtrennverfahren können diese Wärme nicht nutzen. Darüber hinaus kann verbrauchter, gebrannter Kalk aus der Kalzium-Looping-Anlage, in der Industrie verwendet werden, um Zement herzustellen. Dort kann er zur Minderung der CO2-Emissionen beitragen, weil das für die Zementherstellung ebenfalls notwendige Kalzinieren entfällt. Die gekoppelte Wirbelschichtanlage am IFK mit einer Feuerungsleistung von 200 Kilowatt ging im Mai 2010 in Betrieb. Sie entstand im Rahmen des vierjährigen Forschungsprojekts „CATS – CaO als CO2 Trägermaterial zur CO2-freien Stromerzeugung aus Kohle“.
3 aktuelle Forschungsvorhaben
CO2-Abscheidung aus Kohlekraftwerken mittels Kalkstein Teilprojekt: Untersuchungen im Technikumsmaßstab
Forschende Organisationen:
Technische Universität Darmstadt - Fachbereich Maschinenbau - FG Energiesysteme und Energietechnik
Förderkennzeichen: 0327771C
FISIA BABCOCK ENVIRONMENT GmbH
Förderkennzeichen: 0327771D
Grosskraftwerk Mannheim Aktiengesellschaft
Förderkennzeichen: 0327771E